24.05.2016

Daytrading - Der Mythos vom schnellen Geld

Immer wieder lesen wir im Internet von Erfolgen, wie viel Geld im Daytrading zu verdienen ist. Und weil es allzu oft lediglich darum geht junge naive Trader zu einem Broker zu locken, ihnen eine Software oder bombensichere Analysen zu verkaufen, möchten wir natürlich auch unseren Senf dazu beitragen und Ihnen als Anfänger einige Zahlen an die Hand geben, die Ihnen helfen, die Situation besser einzuordnen.


Denn die Erfolgreichen Trader sind überall zu finden. In jedem Forum und in jeder Facebook-Gruppe gibt es anscheinend nur erfolgreiche Daytrader. In den Kommentaren hagelt es Kauf- und Verkaufsempfehlungen, Renditen und Aussagen wie "Ich hab es euch doch gesagt!"

Während die Online-Magazine jede Woche eine andere Kaufempfehlung rausschicken, versuchen Daytrader hier und da mal ein paar Punkte zu holen. Gehebelt natürlich, man soll ja was vom Gewinn haben. Es wird mit absoluten Zahlen um sich geworfen. Über den Handelstag hinausdenken ist doch was für Looser, zu wenig Action und so. Außerdem kann ich die Position nicht über Nacht halten, das Risiko ist doch viel zu groß...

Solche und andere Sätze verfolgen jeden Trader durch alle Medienkanäle hinweg. Der Traum und die Gier nach dem schnellen Geld scheinen jede Epoche zu überdauern. Dabei haben diverse Broker eine 90/90/90-Regel. Wie, die kennen Sie noch nicht? Die 90/90/90-Regel besagt, dass 90% der Trader in 90 Tagen 90% ihres Kapitals verlieren. Danach heißt es "Insert Coin, Try again" :-) 

Woran liegt es denn nun, dass so viele Trader ihr Geld verlieren. Ist Trading so kompliziert? Ist die Materie so schwer zu begreifen? Fehlt allen Tradern die Disziplin? Es muss doch eine Erklärung dafür geben! Und ja, die gibt es. Die Antwort ist ziemlich einfach: Die Brokerindustrie ist eine perfekte Marketingmaschinerie.

Bevor wir uns den eigentlichen Hürden und entscheidenden Faktoren im Daytrading widmen, rufen wir uns noch einmal ins Gedächtnis, wie ein Broker Geld verdient. Ein Broker verdient in der Regel Geld, wenn Sie eine Order aufgeben. Sie zahlen also eine Provision, wenn Sie Ihre Position eröffnen und wenn Sie Ihre Position wieder schließen. Zusätzlich gibt es noch den Spread, also die Differenz aus Kauf- und Verkaufspreis. 

Nur mal so in den Raum geworfen.... wenn ein Broker Geld verdient, wenn Sie Ihre Positionen eröffnen und wieder schließen, wie könnte ein Broker dann seine Gewinne erhöhen? Nun, die Vermutung liegt nahe, dass er uns Trader dazu bewegen möchte, so viele Orders wie möglich abzuschicken. Mehr Orders = Mehr Geld für den Broker. Klingt einleuchtend oder? 

Aber Moment... es gibt doch erfolgreiche Daytrader! Natürlich gibt es erfolgreiche Daytrader und Scalper. Und Sie verdienen auch ordentliches Geld. Doch niemand weist auf die Feinheiten hin, wie das Daytrading überhaupt profitabel wird. Die Grundlagen werden fast an jeder Ecke angeboten, doch es wird dem Trader einiges mehr abverlangt, als ein paar Indikatoren zu installieren oder automatische Systeme zu verwenden.

Diese Grundlagen finden Sie überall: Zunächst einmal benötigen Sie ein funktionierendes Setup. Dieses Setup muss einen statistischen Vorteil haben. Diesen Vorteil können Sie mittels eines automatischen oder manuellen Backtests ermitteln. Wenn Sie zu dem Entschluss kommen, dass Ihre Strategie einen positiven Erwartungswert hat, geht es an die Tradevorbereitung. Sie müssen viele Faktoren berücksichtigen, damit Ihr Setup und Ihre Strategie aufgeht.

Dinge, die einem Anfänger keiner sagt:

Wenn Sie einen statistischen Vorteil haben, sollten Sie diesen so oft es geht ausnutzen, also die Tradefrequenz erhöhen, um den maximalen Gewinn zu erwirtschaften. Und hier fangen wir bereits an uns im Kreis zu drehen.

Die wohl wichtigsten Kriterien für den Daytrader sind die AverageTrueRange (Kurz ATR) und die Volatilität (gemessen im VolatilityIndex - kurz VIX). Es gibt noch weitere Hürdern wie z.B. die Korrelation oder einige wirtschaftliche Daten, die für den Handel relevant sind. Für heute möchte ich Ihnen den Zusammenhang zwischen dem Daytrading und den beiden Größen ATR und VIX erläutern.

Warum sind diese beiden Größen für das Daytrading so entscheidend? Schauen Sie sich hierzu die 2 Grafiken an, die ich für Sie mittels Excel erstellt habe. Berücksichtigt wurden die DAX-Kurse vom 01.01.2016 bis zum 21.05.2016. Darin betrachten wir zum einen die Veränderung des DAX in Prozent und die zugehörige Tagesrange gemessen zwischen Hoch- und Tiefpunkt des Handelstages.

Die erste Grafik zeigt die prozentuale Veränderung des Index in der Anzahl der Tage. Diese Grafik finde ich besonders interessant, weil Sie uns vor Augen hält, warum nicht jeder Handelstag ein guter Handelstag für einen Daytrader ist...




In dem angegebenen Zeitraum hatten wir 97 Handelstage. Aus der Grafik wird deutlich, dass sich der DAX an 35 Handelstagen nur im Bereich von 0,5% zwischen Open und Close bewegt hat. 35 Handelstage, an denen viele Trader auf große Bewegungen gehofft haben und an denen kaum etwas passiert ist. Außer vielleicht, dass Sie viele Stunden vor dem PC verbracht haben. 

An insgesamt 26 Tagen bewegte sich der DAX zwischen Open und Close im Bereich von 0,5%-1%. Zusammen mit den 35 Tagen, an denen kaum etwas passiert ist, sind wir schon bei 61 Handelstagen. Ausgehend von einem Handelsmonat mit 20 Handelstagen hätten Sie also grob 3 Monate vor dem Bildschirm verbracht, um auf eine riesige Bewegung zu warten, die es in der Form nicht gab.

Größere Bewegungen zwischen Open und Close (>2%) hätten Sie an sage und schreibe 7 Handelstagen erleben dürfen. Ansonsten wären Ihre Gewinne im Verhältnis zum Risiko eher mau ausgefallen.

Ok, der aufstrebende Daytrader könnte jetzt damit argumentieren, dass Open und Close zweitrangig sind, weil wir schließlich die komplette Tagesrange nutzen. Das ist natürlich richtig und deshalb schauen wir uns diese auch direkt an :-)




Die Average True Range zeigt den Hoch und den Tiefpunkt der gewählten Kerze einer Zeiteinheit. Um den Handelstag als ganzes zu betrachten schauen wir uns hierbei die Auswertung der tatsächlich gehandelten Tagesrange des DAX im besagten Zeitraum an. Bei der Betrachtung ist wichtig zu erwähnen, dass der DAX oft mit einem GAP in den Tag startet. Diese GAPs können gut und gerne auch mal 100 Punkte oder mehr betragen. Für die Betrachtung des ATR Charts ist das nicht unwichtig, denn die GAPs werden hierbei nicht separat ausgewertet. 

Deutlich wird hierbei, dass sich der DAX an 38 Handelstagen innerhalb einer Range von 150 Punkten bewegt hat (inklusive GAP-Close!). An 59 Handelstagen lag die Range über 150 Punkten. An solchen Tagen ist die Wahrscheinlichkeit höher eine beständige Bewegung zu erwischen. Auch bei dieser Betrachtung wird deutlich, dass nicht jeder Handelstag ein guter Handelstag war, um endlos Geld aus den Märkten zu melken.

Doch das ist bei weitem nicht alles. Was braucht ein Daytrader noch? Richtig, Volatilität. Ohne Volatilität fehlen dem Daytrader wichtige Einstiegsmöglichkeiten. Der VIX gibt die Volatilität des Index aus. Die Volatilität ist die Standardabweichung eines Kurses. Befinden wir uns beispielsweise in einem Aufwärtstrend, kann es auf Grund der Volatilität zu einer kurzfristigen Kursabweichung von X Punkten kommen, ohne dass ein reeller Trendwechsel vorliegt. Diese Rücksetzer dienen vielen Daytradern als Einstiege in die Handelsposition. Fehlt die Volatilität, fehlen auch die günstigen Einstiege. 

Schauen Sie sich hierzu einfach einen DAX Volatility Chart an, dann werden Sie feststellen, dass die Volatilität seit dem 11.02.2016 kontinuierlich abgenommen hat. Die Schlüsse daraus können Sie nun selbst ziehen.

Bitte verstehen Sie mich an der Stelle nicht falsch. Ich möchte nicht unterstellen, dass Daytrading nicht funktioniert, oder dass es nicht profitabel sein kann. Ich möchte Sie lediglich darauf sensibilisieren, dass Daytrading bei weitem von viel mehr Faktoren abhängt, als dies in diversen Büchern/Videos oder Social Media weitergegeben wird. Viele Feinheiten werden erst sichtbar, wenn man das Trading aus einer anderen Perspektive betrachtet. Da jedoch viele Mentoren mit Brokern zusammenarbeiten, bleiben diese Feinheiten sehr oft verborgen...

Daytrading ist komplex und es müssen vielerlei Faktoren für den Erfolg berücksichtigt werden. Als Anfänger im Daytrading zu starten verhält sich in etwas so, als würden Sie sich als Neuling in einem Fußballverein anmelden und am kommenden Wochenende für die Nationalmannschaft spielen. Fangen Sie einfach und entspannt an und tasten Sie sich in die Zeiträume voran, die für Sie interessant erscheinen. So erreichen Sie eine stetige Lernkurve und können mit geringerem Risiko herausfinden, worauf Sie achten müssen, damit Ihre Handelssystem funktioniert, oder warum es eben nicht funktioniert.

In diesem Sinne,

Happy Trading!