Heute geht es um ein Thema, was von seiner Substanz her etwas komplexer ist. In unserem heutigen Kapitel geht es um das Thema Tradingpsychologie. Sicherlich werden Sie bereits davon gehört haben. Im modernen Sprachgebrauch oftmals im Zusammenhang mit Behavioral Finance.
Warum ist es für Tradinganfänger so schwer auf den grünen Zweig zu kommen? Warum scheitern so viele Menschen an der Börse? Was sind die Gründe dafür? Wie entstehen Verlustspiralen? All diese Themen werden wir nach und nach genauer unter die Lupe nehmen.
Eine Sache sei an dieser Stelle angemerkt und von enormer Wichtigkeit: Es ist keinesfalls möglich alle Informationen zum Thema Tradingpsychologie in ein einziges Kapitel zu pressen. Sie werden in dem folgenden Text einen Einstieg finden, der es Ihnen ermöglicht, sich intensiver mit der Materie auseinander zu setzen. Tradingpsychologie ist ein wichtiges Thema. Denn selbst mit der besten Strategie dieser Welt werden Sie mit ziemlicher Wahrscheinlichkeit scheitern, wenn Sie Ihre Psyche nicht im Griff haben.
Befassen wir uns zuerst einmal damit, was uns als Menschen ausmacht. In diversen Broschüren werden Sie folgendes Statement lesen: Ihr Charakter ist der Querschnitt Ihrer engsten Freunde. Nun, dieser Teil ist bedingt richtig. Ausgehend von Forschungen, die bereits auf Charles Darwin zurückgehen, setzen wir uns aus 2 Bereichen zusammen. Zum einem aus dem Genotyp - das ist der Teil, den wir von unseren Eltern vererbt bekommen. Und dem Phänotyp - dem Teil, der durch unsere Umwelt geprägt wird. Es gibt zahlreiche Zwillingsstudien, die diese Phänomene untersuchen. In Zwillingsstudien werden Eineiige und Zweieiige Zwillingspaare auf verschiedene Merkmale untersucht, die vererbt werden können und jene, die umweltbedingt entstehen.
Zu dieser Klassifizierung kommen erneut viele weitere Bereiche hinzu. Erziehung, soziales Umfeld, und und und. Lassen Sie uns kurz einen Blick auf die Erziehung werfen. Kennen Sie Sätze wie: "Geld verdirbt den Charakter", "Geld ist die Wurzel allen Übels" und einer meiner Favoriten:"Geld allein macht nicht glücklich"? Oftmals sind wir uns dessen gar nicht bewusst, wie tief diese Sätze in uns verankert sind. Warum ich Ihnen das erzähle? Wenn Sie Sätze wie diese von Kindheit an gehört haben, kann es durchaus sein, dass Ihr Handeln unterbewusst von diesen Sätzen beeinflusst wird. Das Glauben Sie nicht? Haben Sie schon von Menschen gehört, die im Lotto gewonnen haben und kurz darauf wieder pleite waren? Größere Erbschaft und alles ist nach kurzer Zeit weg? Ich bezweifle, dass dies auf ein Defizit in den Grundrechenarten zurückzuführen ist....
Gepaart mit anderen Faktoren lernt unser Unterbewusstsein ein vermeintlich "optimales Verhalten"
Hinzu kommt eine lange Schulzeit, in der wir lernen, dass Fehler unangemessen sind (und oftmals mit schlechten Noten bestraft werden). Das führt uns bereits zu einem weiteren Fachbegriff der Psychologie: Die operante Konditionierung. Wir versuchen Fehler zu vermeiden, um uns einer Bestrafung zu entziehen. An der Stelle kommen wir dem Trading auch schon etwas näher. Denn was sind Trades, bei denen wir ausgestoppt werden oder die gegen uns laufen? Wir empfinden Sie als Strafe. Sie sind uns unangenehm. Alle Assoziationen, die wir bisher mit Fehlern erfahren haben, sorgen dafür, dass wir diese Vermeiden wollen.
Leider werden weder Sie noch ich im Trading eine Trefferquote von 100% erreichen. Das wäre zwar wirklich schön, ist jedoch nicht möglich (schade eigentlich..). Und genau hier beginnt bereits ein entscheidender Konflikt. Ich habe doch alles richtig gemacht, wie kann es sein, dass ich erneut "bestraft" werde? Nun, Sie werden weder vom Markt bestraft, noch belohnt. Dem Markt ist es absolut egal, ob Sie den Tag mit einem saftigen Gewinn beenden oder mit Schweißperlen auf der Stirn, weil Sie mal schauen wollten, wie das so ist sein Konto zu überhebeln.
Der Wunsch nach Rationalität ist nichts außergewöhnliches. Er ist sogar ziemlich menschlich. Wir sind umgeben von Logik und Verständnis. Stellen Sie sich vor, Sie sind von Ihren Freunden zum Essen eingeladen. Nach dem Essen bedanken Sie sich und sagen, dass es eine richtig leckere Mahlzeit war! Wenn Sie als Reaktion darauf ein Glas Wasser ins Gesicht geschüttet bekommen, wären Sie etwas irritiert, nicht wahr? Sie würden denken, dass Sie entweder missverstanden wurden, oder Sie vielleicht der einzige waren, dem es geschmeckt hat. Irgendwas muss doch da falsch gelaufen sein.
An der Börse fehlt jegliche Rationalität. Kurse steigen und fallen, oftmals ohne erkennbaren Grund. Doch wir lieben Begründungen. Wir wollen für alles eine Begründung. Besonders Kinder lieben das "Warum"-Spiel und reizen es so lange aus, bis Sie die Antwort "Weil es eben so ist" erhalten. Und genau damit müssen wir uns im Börsenhandel begnügen. Es ist eben so. Auch, wenn Sie mit der Zeit Tendenzen wahrnehmen können oder ein Trend Ihre Ansicht unterstützt, werden Sie niemals eine 100% Sicherheit haben, dass alles so eintrifft, wie Sie es geplant haben.
Das mag sich anfangs alles etwas verstörend anhören, weil es sich so liest, als ob wir keine Kontrolle hätten... Leider haben wir diese auch nicht, zumindest nicht in der Hinsicht, dass wir mit Sicherheit prognostizieren können, wo der Kurs in den nächsten Minuten/Stunden/Tagen oder Wochen stehen wird. Wir haben allerdings andere Elemente im Trading, die uns erlauben Kontrolle über unser Depot zu erlangen.
Erfolge stellen sich meist dann ein, wenn wir den Fluss der Märkte akzeptieren lernen und nicht versuchen gegen den Strom zu schwimmen. Wir müssen lernen, uns so lange von der Welle treiben zu lassen, bis wir ausgestoppt werden.
Das einzige was uns dabei hilft, ist das Verständnis darüber, dass wir die Märkte nicht kontrollieren können. Die meisten Versuche resultieren in herben Verlusten, die wirklich nicht sein müssen.
Gibt es überhaupt keine Möglichkeit etwas zu kontrollieren?
Doch, die gibt es. Auf 2 Dinge haben einzig und allein Sie den Einfluss. Auf Ihr Risikomanagement und sich selbst. Wenn Sie begreifen, wie diese 2 Parameter effizient funktionieren und dazu eine psychische Stabilität erreichen, steht dem Erfolg fast nichts mehr im Weg (Ok, eine funktionierende Strategie brauchen Sie auch...).
Das Risikomanagement ist ein entscheidender Faktor für die psychische Stabilität. Beide stehen in Abhängigkeit zueinander. Daher gilt umgekehrt, dass psychische Stabilität dafür sorgt, dass Sie sich an Ihr Risikomanagement halten. Wenn Sie sich beider Elemente bewusst sind, werden Sie es schaffen emotionslos zu traden.
Warum emotionslos? Weil Emotionen im Trading nichts, aber auch rein gar nichts zu suchen haben. Egal ob Tradeplanung, Durchführung oder Nachbearbeitung, ohne die notwendige Gelassenheit werden Sie permanent auf der Stelle treten. Emotionen sind die Bremse Ihres Erfolgs. Es gibt vielerlei Gründe, warum es Tradinganfängern schwer fällt emotionslos zu agieren. Oftmals ist es ein sehr starker Bezug zum Geld. Starten Sie z.B. mit einem Tradingkapital, welches Sie sich über Jahre ansparen mussten, kann es schwierig sein, in jeder Situation vollkommen gelassen zu agieren. Passen Sie Ihre Tradingpositionen daher unbedingt Ihrem Wohlbefinden an. Auch wenn dies bedeutet, dass Sie vorerst kleinere Positionen handeln, als Ihr Risikomanagement es zulassen würde.
Haben Sie ein durchdachtes Risikomanagement, können Sie es nur einhalten, wenn Sie straight forward Ihre Strategie durchführen. Dabei sollten Sie alle Szenarien durchdenken, die Ihnen während des Trades begegnen könnten. Das gehört zur Tradeplanung und sollte daher unbedingt VOR dem eigentlichen Trade durchgeführt werden.
Hierzu können Sie sich vorab folgende Fragen stellen:
- Was machen Sie, wenn die Märkte einbrechen? Wie sind Sie abgesichert?
- Sind Sie überhaupt abgesichert?
- Passt Ihr Stoploss?
- Macht der Stoploss an der geplanten Stelle Sinn?
- Wo ist meine geplante Gewinnzone?
- Was mache ich, wenn der Kurs die Gewinnzone erreicht? usw. usw.
Der Prozess der Vorbereitung unterstützt Sie dabei verschiedene Fehler zu vermeiden. Es kann durchaus helfen, sich eine Art Checkliste zu erstellen. Wie ein Pilot gehen Sie alle Punkte auf Ihrer Checkliste durch, bevor Sie Ihren Trade starten. So vermeiden Sie Fehler, gewinnen an Sicherheit und sorgen für eine stabile Psyche. Nichts bringt uns mehr aus dem Konzept als unerwartete Szenarien. Unerwartetes sorgt für Stress, Stress führt zu Fehlern und Fehler führen zu Verlusten. Verluste durch Fehler führen Sie wieder an den Beginn der Kette, nämlich zum Stress. Sich aus so einer Spirale zu befreien ist sehr schwierig, daher sollten Sie so eine Kettenreaktion stehts vermeiden.
Sie könnten im Daytrading solche Kettenreaktionen vermeiden, indem Sie sich beispielsweise ein Verlustlimit setzen. Sobald dieses Limit erreicht wird, stehen Sie unverzüglich vom Rechner auf und machen entweder eine mehrstündige Pause, oder beenden das Trading komplett für diesen Handelstag.
Oftmals kann auch die Verpflichtung zu "Berichterstattung" zu einer gewissen Vorsicht beitragen. Ob Sie dabei ein allabendliches Gespräch mit Ihrem Partner oder einem Tradingkollegen führen, spielt dabei keine Rolle. Wichtig ist nur, dass der Gesprächspartner aktiv zuhört und wie ein Aufsichtsrat / Führungskraft / Vorgesetzter (oder welche Funktion auch immer Sie sich vorstellen wollen) hinterfragt. Sie könnten sich auf einen täglichen Kurzbericht verpflichten:"Heute X Prozent im Plus oder Minus", "folgende Trades wurden aus dem und dem Grund durchgeführt", "die Trades entsprachen zu 100% meinem Tradingplan, ich habe mir nichts vorzuwerfen".
Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Disziplin. Sie geht oft einher mit dem Durchhaltevermögen. Wie gut wir Menschen uns dabei anstellen, sehen wir oft genug in den ausformulierten Neujahrsvorsätzen. Nie sind Sportstudios und Schwimmbäder voller. Überall Jogger und die Tabakindustrie kalkuliert sicher mit geringeren Gewinnen... zumindest in den ersten 2 Januar-Wochen...
Daher möchte ich Ihnen an dieser Stelle noch ein paar Tips geben, wie Sie Ihre Disziplin aufrecht erhalten können, oder sogar noch verbessern können.
Eine wirkungsvolle Methode ist ein Tagebuch. Dabei meine ich jedoch nicht, dass Sie abends Blumen und Herzchen zeichnen sollen. Nennen Sie es wie Sie wollen, Erfolgstagebuch oder Motivationstagebuch. Notieren Sie sich pro Seite 3 Überschriften:
- Was ist mir heute richtig gut gelungen?
- Was kann ich besser machen?
- Wie kann ich das erreichen?
Sie werden merken, dass Sie dadurch einen Verbesserungsprozess beginnen, der Sie nicht nur im Trading unterstützen wird, sondern ebenfalls auf andere Bereiche anwendbar wird.
Eine andere Alternative, die mir persönlich sehr geholfen hat, ist das Durchbrechen von festen Mustern. Sie bauen minimale Veränderungen in Ihren Alltagstrott ein. Diese Veränderungen gehören nach einer gewissen Zeit automatisch zu Ihrem "neuen" Alltag und können so laufend gesteigert werden.
Beispiel:
Wenn Sie Daytrader sind und Probleme mit der Disziplin haben, könnten Sie so vorgehen: Sie nehmen sich vor, an dem heutigen Tag 3 sauber ausgeführte Trades zu positionieren. Wenn Sie dieses Ziel erreichen, belohnen Sie sich mit einer Kleinigkeit. Es muss nichts außergewöhnliches oder teures sein. Es sollte allerdings auch nichts alltägliches sein, damit Sie es tatsächlich als Belohnung empfinden.
Es gibt viele Methoden, die Ihnen helfen können, Ihre Motivation, Ihre Disziplin oder andere entscheidende Skills zu trainieren und weiterzuentwickeln. Ich empfehle Ihnen, sich in diese Thematik einzulesen und die ein oder andere Übung einfach auszuprobieren. Die Methoden kosten in der Regel wenig zeit und können Ihnen nicht nur im Trading eine wichtige Unterstützung sein.
Wenn Sie sich bisher nicht mit der Psyche auseinandergesetzt haben, kann ich Ihnen wirklich nur ans Herz legen, schnellstmöglich damit zu anzufangen. Die psychische Stabilität ist das A und O des Tradings. Emotionen und eine mangelnde Disziplin werden sich langfristig negativ auf Ihren Kontostand auswirken.
Je mehr Sie sich mit dieser Thematik auseinandersetzen, desto mehr werden Sie sich selbst kennenlernen. Und Sie werden überrascht sein, wie sehr Sie auch außerhalb des Tradings davon profitieren werden.
In diesem Sinne,
Happy Trading!