12.01.2016

Kapitel 7 - Risk Management

Der Erfolg Ihres Tradings wird sich nur durch erfolgreich betriebenes Risikomanagement einstellen. In das Thema Risk Management fallen viele Bereiche zusammen: Mathematik, Psychologie und betriebswirtschaftliche Kenntnisse. Daher nehmen Sie sich die Zeit, dieses Kapitel ausführlich zu lesen und zu verinnerlichen.

Positionsgrößen:

Mit der Positionsgröße bestimmen Sie z.B. die Anzahl der Aktien, die Sie kaufen/verkaufen möchten oder im Bereich Forex die entsprechende Geldmenge mit der Sie handeln wollen. Wir orientieren uns hierbei oftmals nur an den möglichen Verlustbeträgen, die uns der Broker in der jeweiligen Software anzeigt. Doch was bedeutet es wirklich, wenn Sie bei den Positionsgrößen übertreiben?

Bei der Wahl der Positionsgröße sollten Sie sorgsam sein. Denn an diesem Punkt eine falsche Entscheidung zu treffen, kann Ihr komplettes Leben ruinieren. Ach quatsch, der übertreibt doch... Nein, ich übertreibe nicht und ich möchte Ihnen auch erklären warum das so ist:

Kaum ein Forex-Broker bietet den Handel ohne einen so genannten Hebel (leverage) an. Aktien-Broker bieten in der Regel kleinere Hebel oder keine Hebel an. Ein Hebel gibt Ihnen die Möglichkeit Geldsummen zu handeln, die Ihren tatsächlichen Kontostand erheblich übersteigen. Falls Sie sich gefragt haben, warum auf Broker-Webseiten der Satz :"Verluste können Ihr eingesetztes Kapital übersteigen" zu finden ist, dann ist der Hebel einer dieser Gründe.

Der Hebel kann ein sinnvolles Werkzeug für erfahrene Trader sein um Gewinne zu maximieren. Dabei hinterlegen Sie nur einen prozentualen Anteil des Geldes, welches Sie bewegen wollen als Sicherheitsleistung (Margin). Der Broker zahlt nun die Differenz aus eigener Tasche. Im Grunde handeln Sie bei der Verwendung eines Hebels auf Kredit. Ihr Broker ist dabei Ihre Bank. Je nach Broker können Sie mit der 500-fachen Summe Ihres Geldes handeln... Das muss man sich erst einmal auf der Zunge zergehen lassen. Bei einem Beispiel von 1000EUR auf dem Tradingkonto erlaubt Ihnen der Broker eine Summe von 500.000,- EUR zu bewegen. Ist das nicht der Wahnsinn? Definitiv, besonders für diejenigen unter uns, die diese 500.000,-EUR real gar nicht besitzen. Wahnsinn und Irrsinn zur gleichen Zeit.

Der Leverage-Effekt ist in der Wirtschaft ganz klassisch vertreten. Unternehmen nehmen Kredite bei der Bank auf, um über das Firmenkapital hinaus schneller expandieren zu können oder z.B. die Produktion eines Produktes zu erweitern und so eine größere Menge schneller absetzen zu können. Das klingt sogar ziemlich sinnvoll, denn bis zu einem bestimmten Punkt profitiert das Unternehmen enorm vom Leverage-Effekt.

Beim Traden sieht es etwas anders aus. Der Hebel ist eine sehr gute Hilfe, um mit kleinen Konten handeln zu können. Doch auch hier ist bereits das grundsätzliche Risiko vorhanden, dass Verluste über Ihren Kontostand hinaus entstehen können. Solche Situation sind selten und Broker versuchen sowohl sich, als auch die Kunden vor diesem Fall zu bewahren. Doch komplett ausgeschlossen ist dieser Fall nicht. Denn auch wenn der Broker alles mögliche daran setzt, dass Sie weiter handeln können und Ihr Kapital geschützt ist, kann es zu Ereignissen kommen, die ein Broker nicht beeinflussen kann.

Dazu ein Beispiel aus jüngster Vergangenheit:

Bis Januar 2015 hielt die Schweizer Nationalbank an einer Kursuntergrenze fest (EUR/CHF: Die Untergrenze lag bei 1,20CHF). Es gab Pressekonferenzen und Statements, dass diese Untergrenze mit allen Mitteln gehalten wird. Einige Trader nutzten diese "Chance", um Positionen extrem zu Hebeln und setzten Ihren Stoploss unterhalb der "versprochenen" 1,20er Grenze. Durch die vielen Anführungszeichen können Sie sich sicherlich denken, was daraufhin geschah. Die Untergrenze wurde vollkommen unerwartet aufgehoben. Der Kurs des Währungspaares fiel so schnell, dass es den Banken nicht möglich war Kurse zu stellen. Der Handel wurde eingefroren. Es konnten keine Positionen eröffnet oder geschlossen werden. Ob Sie einen Stoploss genutzt hätten oder nicht wäre nun nicht mehr relevant. Nach einigen Stunden wurde der Handel wieder freigegeben, da nun wieder aktuelle Kurse geliefert wurden. Der Markt eröffnete allerdings nicht im Bereich von 1.20CHF sondern bei ca 0,92 CHF. Sie haben richtig gelesen. Das entspricht einem Minus von knapp 30.000 Pips! Wenn Sie Ihr Konto auf Grund der offensichtlichen Sicherheit auf 10EUR/pip oder höher gehebelt haben, können Sie sich das Ausmaß dieser Verluste selbst ausrechnen. An diesem Tag wurden nicht nur viele Privatinsolvenzen geschaffen, auch viele Broker mussten nach diesem Tag die Segel streichen.

Merken Sie sich also bitte, dass es ein "das wird NIE passieren" beim Handel mit Finanzprodukten nicht gibt. Die Frage ist nicht OB es passiert, sondern WANN.

Wie können Sie sich davor schützen, dass es Ihnen nicht so ergeht wie jenen Tradern, die nun vor einem gigantischen Scherbenhaufen stehen? Nutzen Sie den Hebel intelligent und lassen Sie Ihn für sich arbeiten und nicht gegen Sie.

Hierzu ein kleines Rechenbeispiel:

Angenommen Ihr Handelskonto verfügt über ein Guthaben von 1000EUR. Hebeln Sie das Guthaben z.B. mit dem Faktor 2, müsste der Kurs sich schon halbieren, damit Sie einen Komplettverlust des Handelskontos erleiden. Selbst wenn der Fall X nun ein eintreten sollte, haben Sie "nur" Ihr Handelskonto verloren, jedoch nicht Ihr Privatvermögen. Beim Faktor 4 würde es schon ausreichen, wenn der Kurs um 25% fällt. Bei einem Hebel von 400 oder höher ist das Trading metaphorisch gesehen ein Spiel mit dem Feuer.

Bei vielen Brokern können Sie den Hebel leider nicht manuell begrenzen. Rufen Sie hierzu beim Support an und fragen Sie ob seitens des Supports der Hebel gedrosselt werden kann. Wenn diese Möglichkeit gegeben ist, nutzen Sie diese, damit Sie in einem schwachen Moment, oder in einer Euphorie der Überzeugung nicht doch den Fehler begehen, Ihr wertvolles Tradingkonto leichtfertig zu riskieren.

Die Wahl des optimalen Risikos:

Wenn Sie im Internet nach Informationen suchen, wie viel Sie pro Trade riskieren sollen, erhalten Sie oft pauschale Antworten. Ich vermute diese Antworten werden Sie nicht zufriedenstellen, weshalb wir uns dieses Problem aus verschiedenen Perspektiven anschauen werden.

Die Wahl des Geldbetrages, den Sie pro Position verlieren können, hängt von vielerlei Faktoren ab. Dazu gehören die Trefferquote, Ihr durchschnittlicher Gewinn im Verhältnis zum Verlust, und vieles mehr.

Fangen wir zuerst mit der Trefferquote an. Die Trefferquote gibt an, wie oft Sie richtig liegen und wie oft Sie daneben liegen. Um diese zu ermitteln brauchen Sie Informationen über Ihre vergangenen Trades. Wenn Sie diese Informationen nicht haben, weil Sie gerade frisch angefangen haben zu traden, ist das kein Problem. Sofern Ihnen keine Informationen zur Verfügung stehen, gehen Sie vorerst von einem konservativen Wert von 25% aus. Das mag sich erstmal wenig anhören, doch auch gestandene Trader, und selbst jene, die davon leben, bewegen sich zum Großteil im Bereich zwischen 30% und 40%.

Nehmen wir für das folgende Rechenbeispiel an, dass Sie eine Trefferquote von 30% haben. Wie hoch müsste Ihr durchschnittlicher Mindestgewinn sein, damit Sie 1EUR Gewinn erwirtschaften, wenn Sie pro Position 50EUR riskieren?

( (30/100) * x ) - ( (70/100) * 50EUR ) = 1EUR

X entspricht dabei dem durchschnittlichen Mindestgewinn.

Ich erspare Ihnen die Rechnerei, die Lösung ist X = 113,33EUR

Wenn Sie also 30 mal richtig liegen, müssen Sie bei diesen 30 Trades im Durchschnitt 113,33EUR gewinnen, um die Verluste der 70 Trades je 50EUR zu kompensieren. Ihnen bliebe dann effektiv ein Durchschnittsgewinn 1EUR.

Ich werde in den nächsten Tagen eine Exceldatei basteln, mit der Sie üben können und mit der Sie ein Gefühl für die nötigen Gewinne und Verluste erhalten.

Die Information des notwendigen Mindestgewinns ist wichtig, denn nun wissen Sie, dass Sie nach Situationen auf den Märkten suchen müssen, die über das Potential verfügen dieses Verhältnis zu erreichen. Das Verhältnis von Verlust und Gewinn wird Chancen-Risiko-Verhältnis (kurz CRV) genannt und wird in Vielfachen des ursprünglichen Risikos berechnet. Im oben genannten Beispiel benötigen Sie ein CRV von 2,27 damit Ihr Konto wächst.

Welchen Betrag Sie am Anfang Ihrer Tradingkarriere riskieren sollten, wird nicht nur davon abhängen wie hoch Ihre Trefferquote ist, sondern auch, in welchem Zeithorizont Sie handeln wollen. Ihre Trefferquote wird sich je nach Zeithorizont verändern. Um Ihnen einen Richtwert für Ihre Anfangszeit zu geben möchte ich es so formulieren:

Je kleiner die Zeiteinheit, desto weniger sollten Sie pro Position verlieren. Wenn Sie also hauptsächlich auf dem 15min-Chart handeln wollen, setzen Sie pro Position nicht mehr als 1-3%. Je größer Zeiteinheit und je höher die Trefferquote, desto großer kann das Risiko pro Position sein. Die vorgeschlagenen 1-3% sind als Richtwerte für Einsteiger zu verstehen. Wenn Sie mit steigender Erfahrung andere Werte auswählen, ist das absolut in Ordnung. Vergessen Sie allerdings nicht, dass es bei dem Verlustrisiko pro Position um nachvollziehbare und rechnerisch plausible Werte gehen soll und nicht um einen etwaigen Nervenkitzel.

Abgrenzung zwischen Daytrading und Investments

Wenn Sie vorhaben dauerhaft in Aktien zu investieren, müssen Sie das Risikomanagement noch aus einer weiteren Perspektive betrachten. Ein Daytrader öffnet und schließt seine Positionen im Laufe des Handelstages. Ein Investor hält seine Positionen über Jahre. Wie verändert sich dadurch das Verständnis vom Risiko?

Wenn Sie traden, wollen Sie eine Position z.B. günstig kaufen und schnellst möglich wieder teuer verkaufen. Dabei ist der Einbezug der Größen wie CRV oder Anfangsrisiko (InitialRisk) von absoluter Wichtigkeit.

Investieren Sie jedoch langfristig in Aktien, sind darüber hinaus andere Merkmale interessant, wie z.B. Dividendenzahlungen. Wenn Sie in US-Aktien investieren erhalten Sie 4x pro Jahr eine Dividende ausgezahlt. Nehmen wir hierfür folgendes Rechenbeispiel:

Sie kaufen eine Aktie XY für 30$. Das Unternehmen gibt es schon seit über 60 Jahren und es erwirtschaftet Jahr für Jahr aufs Neue wahnsinnige Erfolge. Weil das Unternehmen die Gewinne an die Aktionäre weitergibt, erhalten Sie pro Aktie eine Dividende von 50Cent. Da Sie diese 4x pro Jahr erhalten, kommen Sie auf eine Gesamtdividende von 2$.

Da Sie die Aktie für 30$ gekauft haben entsprechen die 2$ aus der Dividende sage und schreibe 6,67%! Sofern die Dividende trotz schwankender Kurse gleichbleibt, würde ich behaupten, dass dies ein solides Investment war. Verglichen mit anderen Investmentmöglichkeiten wäre dies eine absolut guter Wert.

Sofern das Unternehmen dauerhaft solche Dividenden zahlt und auch dauerhaft erfolgreich bleibt, haben Sie sich bereits mit der ersten Aktie ein passives Einkommen erschaffen. Herzlichen Glückwunsch dazu. Sollten Sie nach Jahren bessere Investments finden, besteht immer noch die Möglichkeit die bestehende Aktie wieder zu verkaufen und Sie erhalten, wenn alles gut geht, durch Kurssteigerungen einen höheren Wert als Sie bezahlt haben.

Sie merken also, dass es sehr wohl Unterschiede gibt je nachdem ob Sie ein Investor oder ein Trader sind. Für Ihre Anfangszeit würde ich mich an Ihrer Stelle für einen Weg entscheiden. Ob Sie dann im zweiten Schritt andere Wege lernen oder nicht, können Sie im Nachhinein entscheiden. Nehmen Sie zu einer Thematik erst einmal so viel Wissen auf, wie Sie nur können.

Befassen Sie sich ausführlich mit dem Risk Management. Ohne solides Risikomanagement wird Ihr Kapital verpuffen. Vielleicht nicht plötzlich, aber schrittweise. Das muss nicht sein. Daher analysieren Sie Ihre Vorhaben stets im Hinblick auf die aktuelle Risikosituation und bewerten Sie neutral und emotionslos, ob es sich um einen guten Trade oder ein gutes Investment handelt.