In unserem heutigen Kapitel wird es etwas komplexer. Die ersten Erfahrungen hierzu haben Sie jedoch sicherlich schon gemacht. Was ist Ihnen aufgefallen als Sie sich den Chart eines Währungspaares, einer Aktie oder eines anderen Finanzprodukts in verschiedenen Zeiteinheiten angeschaut haben? Vermutlich haben Sie bemerkt, dass der jeweilige Chart in unterschiedlichen Zeiteinheiten jeweils irgendwie anders aussieht. Vielleicht verlaufen die Charts unterschiedlicher Zeiteinheiten sogar in komplett unterschiedliche Richtungen. Bei mir hat das im Anfangsstadium für reichlich Verwirrung gesorgt.
Es gibt doch nur einen Kurs, wie kann es denn dann zu so vielen unterschiedlichen Darstellungen kommen?
Dazu ein kleines Schaubild:
Ganz links sehen Sie einen schematischen Tageschart. Um die Grafik so einfach und einprägsam wie möglich zu gestalten wurde der Chartverlauf als Linie dargestellt. Wenn Sie den Kerzenchart verwenden, würde in Ihrer Darstellung eine einzelne angezeigte Kerze dem Zeitraum eines kompletten Handelstages entsprechen. Nehmen wir nun an, der Chart zeigt wie im obigen Schema einen Aufwärtstrend.
Wir wollen diesen Aufwärtstrend jetzt etwas genauer untersuchen. Dazu schalten wir auf die Darstellung des Stundencharts und schauen uns den markierten Bereich des Tagescharts an. Nachdem Sie den Button für die Stundenansicht angeklickt haben, sehen Sie den Inhalt einer einzigen Tageskerze auf viele einzelne Stundenkerzen verteilt. Da Sie nicht jedes Finanzprodukt 24 Stunden am Tag handeln können, kann die Anzahl der Stundenkerzen eines einzigen Handelstages von Markt zu Markt variieren. Fixieren Sie sich daher nicht auf die Zahl 24! Betrachten wir jetzt den markierten Bereich des Tagescharts auf dem Stundenchart. Wir sehen erneut einen Aufwärtstrend.
Es handelt sich dabei um keinen neuen Trend. Er war bereits im Tageschart vorhanden. Wir konnten ihn nur nicht sehen. Da eine einzelne Handelskerze auf dem Tageschart einen kompletten Handelstag darstellt, entsprach der Trend, den wir auf dem Stundenchart zu Gesicht bekamen, vielleicht 2 oder 3 Kerzen auf dem Tageschart. Durch den Wechsel in den Stundenchart gewinnen wir detailliertere Information über den Tagesverlauf und sind erst jetzt in der Lage, diesen Trend mit bloßem Auge erkennen zu können. Erst durch das "Splitten" der Tageskerze in die einzelnen Stundenkerzen war es uns möglich, den Trend wahrzunehmen.
Wird ein Trend erst durch die Darstellung in einer anderen Zeiteinheit sichtbar, nennt man ihn untergeordneten/übergeordneten Trend.
In unserem Beispiel handelt es sich im Stundenchart um den untergeordneten Trend des Tageschart. Im Umkehrschluss ist der Tageschart der übergeordnete Trend des Stundencharts.
Weil uns das noch nicht ausreicht und wir noch weitere Informationen haben möchten, wechseln wir weiter in den 5-min-Chart. Dort sehen wir den markierten Bereich im Stundenchart als Abwärtstrend dargestellt. Auch dieser war bereits faktisch in der Stundenansicht vorhanden. Sehen konnten wir ihn jedoch erneut nicht, weil er sich in Form von vielleicht 2 oder 3 Kerzen "versteckt" hat.
Dieses Prozedere können Sie theoretisch so lange wiederholen, bis Sie sich in der kleinsten darstellbaren Zeiteinheit Ihrer Tradingsoftware befinden. Der Ursprung der ganzen Darstellungen ist das Orderbuch. Das Orderbuch zeigt Ihnen die aktuell eintreffenden Kauf und Verkaufsorders und die daraus resultierenden Kauf- und Verkaufspreise. Nicht alle Broker bieten die Darstellung des Orderbuches an und meistens nur gegen Aufpreis. Durch den Ausgleich von Angebot und Nachfrage entsteht aus dem Orderbuch der Kurs, der in Ihrer Tradingsoftware angezeigt wird. Auf Grundlage dieser Kurse zeichnet Ihre Software die entsprechenden Charts je nach gewählter Zeiteinheit.
Übrigens: Die Wahl der jeweiligen "Zeitsprünge" in den Zeiteinheiten sind abhängig vom gehandelten Finanzprodukt. Wenn Sie z.B. Aktien handeln, kann es durchaus vorkommen, dass bei Aktie 1 andere Sprünge notwendig sind als bei Aktie 2. Es wird nicht zwangsläufig so sein, dass Sie die untergeordneten Trendgrößen IMMER im Verhältnis 1d / 1h /5min Chart finden werden. Es wird Fälle geben, in denen bereits kleinere Sprünge in den Zeiteinheiten ausreichen und wieder andere, in denen größere Sprünge erforderlich sein werden. Experimentieren Sie, um eine korrekte Darstellung zu erreichen und (WICHTIG) keine Trendgröße zu überspringen. Wenn es Ihnen leichter fällt die Trendgrößen mittels kleinerer oder größere Sprünge zu finden, nutzen Sie diese bitte. Die von mir gewählten Zeiteinheiten im Schaubild dienen lediglich der Verdeutlichung. Ich persönlich nutze für mein Trading die Darstellung Wochenchart / Tageschart / Stundenchart.
Im Regelfall spricht man von einem großen, einem mittleren und einem kleinen Trend. Was Sie persönlich jedoch als groß, mittel oder klein definieren ist abhängig von dem Zeithorizont, mit dem Sie planen eine Order zu halten. Es wäre nicht unbedingt von Vorteil, wenn Sie einen Trend auf dem Wochenchart ermitteln um letztlich auf dem 5-Mnuten-Chart zu handeln. Das Verhältnis muss stimmig sein, daher sollten Sie unbedingt darauf achten keine Trendgröße zu überspringen. Möchten Sie z.B. auf dem Tageschart handeln, könnten Sie diesen als mittleren Trend definieren. Der übergeordnete Trend (großer Trend) könnte der Wochenchart oder Monatschart sein und der kleine Trend würde ungefähr dem Stundenchart entsprechen.
Es ist anfangs hilfreich, wenn Sie sich die verschiedenen Trendgrößen in verschiedenen Farben in die Charts zeichnen. Wenn Sie Ihren Blick mit steigender Erfahrung geschärft haben, können Sie darauf natürlich verzichten.
Das Verständnis für dieses Thema ist enorm wichtig. Im Hinblick auf Ihre spätere Handelsstrategie werden Sie diese Informationen benötigen. Dabei spielt es keine Rolle, nach welchen Ansätzen Sie Ihr Trading in Zukunft praktizieren werden. Trendgrößen zu erkennen und zu bestimmen wird Ihnen unter keinen Umständen schaden und sollte daher ausgiebig trainiert werden.
Im nächsten Kapitel beschäftigen wir uns mit dem Thema Risikomanagement.